Bitterstoffe

astrea Apothekenmagazin • 18. September 2024

Von allen Geschmacksrichtungen ist «bitter» am wenigsten beliebt. Vielleicht gerade darum, weil ihre Qualitäten nicht bekannt sind.

Babys lieben Süsses, ebenso die Geschmacksrichtung Umami (siehe Kasten); was sie nicht mögen, ist Saures und Bitteres. Geschmacksqualitäten nehmen wir mit den Geschmacksknospen wahr, die aus bis zu 100 Sinneszellen bestehen. Die Geschmacksknospen wiederum liegen in verschiedenen Arten von Papillen der Zunge. Die einzelnen Geschmacksrichtungen schmecken wir auf der Zunge in definierten Bereichen, die sich überlappen können. Menschen mit einer hohen Anzahl an Sinneszellen für den Geschmack zählen zu den «Superschmeckern».


Geschmack: komplexer Sinneseindruck

Unsere Geschmacksempfindungen hängen nicht nur vom Geschmackssinn ab; stark beteiligt sind auch der Geruchs-, Temperatur- und Tastsinn, die Schmerzempfindung sowie die optische Wahrnehmung. Geprägt werden wir schon als Ungeborene über das Fruchtwasser mit den kulinarischen Vorlieben der Mutter. Ebenso übernehmen wir von der Gesellschaft, in der wir aufwachsen, Ansichten darüber, welche Nahrungsmittel gut oder schlecht schmecken – unabhängig davon, ob diese der Gesundheit zuträglich sind oder nicht.


Vorsicht bitter!

Vor mindestens 80 000 Jahren, lange bevor die Menschen mit Ackerbau und Viehzucht begannen, hatte sich die Fähigkeit entwickelt, Bitteres zu schmecken. «Der bittere Geschmack spielt eine wichtige Schutzfunktion, da viele pflanzliche Giftstoffe bitter schmecken. Die Fähigkeit, solche gefährlichen Inhaltsstoffe über den Geschmack wahrzunehmen, kann zumindest in bestimmten Umgebungen das Überleben beeinflussen. Menschen vermögen Bitterstoffe in sehr kleinen Konzentrationen wahrzunehmen und zeigen dann Reaktionen der Abneigung», so die Autoren einer diesbezüglichen Studie.
Wie wir Bitteres wahrnehmen, hängt von unseren Bittergenen ab. 25 Gene sind in jeweils unterschiedlichem Anteil am Bau einer Bittergeschmackszelle beteiligt, von denen jede einen individuellen Mix an Bitterstoffen erkennen kann. Dies ermöglicht uns, Zehntausende von Bitterstoffen zu unterscheiden. Mit zunehmendem Lebensalter rückt der genetische Anteil in den Hintergrund und wird von kulturellen Faktoren überdeckt.


Bittere Medizin

«Was bitter ist dem Mund, ist dem Magen (oder Herzen) gesund», sagt ein deutsches Sprichwort. Laut Prof. Dr. Reinhard Saller werden stark bitter schmeckende Arzneien bei verschiedensten Befindlichkeitsstörungen und Erkrankungen eingesetzt. Dazu zählen mangelnde Esslust, träge Verdauung, Übelkeit, Blähsucht, Koliken, unregelmässiger Stuhlgang, hypochondrische Stimmung, nervöse Störungen und allgemeine Schwäche. Rezeptoren für Bitterstoffe sind nicht nur auf der Zunge, sondern auch in den oberen Atmungsorganen und im Magen-Darm-Trakt vorhanden. Dennoch: Wichtig bei der Einnahme von Arzneien ist es, dass die Bitterkeit nicht durch Zugabe von Honig und dergleichen gemildert wird. Dass wir uns Bitteres nicht (mehr) gewohnt sind, hängt ebenfalls damit zusammen, dass Bitterstoffe in den vergangenen Jahrzehnten vor allem aus Obst- und Gemüsesorten bewusst weggezüchtet wurden.


Von Angelikawurzel bis Zitronenschalen

Zu den häufig eingesetzten bitterstoffhaltigen Heilpflanzen gehören (in alphabetischer Reihenfolge und nicht abschliessend):



  • Amara pura (nur bzw. vorwiegend Bitterstoffe): Bitterholz, Bitterklee, Enzianwurzel, Fieberklee, Tausendgüldenkraut
  • Amara aromatica (Bitterstoffe und ätherisches Öl): Angelikawurzel, Bitterorangenschalen, Condurangorinde, Hopfenzapfen, Kalmuswurzelstock, Kardobenediktenkraut, Kaskarillrinde, Pomeranzenschalen, Schafgarbenkraut, Wermutkraut, Zitronenschalen
  • Amara adstringentia (Bitterstoffe und Gerbstoffe): Chinarinde, Condurangorinde, Schafgarbenkraut
  • Amara mucilagenosa (Bitterstoffe und bedeutsame Mengen Schleimstoffe): Hohlzahnkraut, Isländisches Moos, Kolombowurzel
  • Amara acria (Bitterstoffe und bedeutsame Mengen Scharfstoffe): Galgantwurzelstock, Ingwerrhizom
  • Amara salina (salzreiche Bittermittel): Löwenzahnwurzel un -kraut, Wegwartenwurzel


Bitterwerte

Wie bitter ein Mittel ist, wird im Vergleich zu einer Lösung analysiert, die «eben noch» bitter schmeckt, wobei verschiedene Messmethoden verwendet werden. Das aus der Enzianwurzel stammende Amarogentin ist mit einem Bitterwert von ca. 60 000 000 der bitterste Naturstoff.


Bitterholz / Quassiaholz 40 000–50 000
Enzianwurzel 10 000–30 000
Wermutkraut 10 000–25 000
Condurangowurzel 15 000
Teufelskrallenwurzel 5000–15 000
Bitterkleeblätter 4000–10 000
Andornblätter 3000
Tausendgüldenkraut 2000–10 000
Benediktenkraut 800–1500
Bitterorangenschalen 600–2500
Löwenzahnwurzel ≥100

Quelle: Pschyrembel


Sechs Geschmacksrichtungen

Die vier Grundqualitäten unseres Geschmacks sind allgemein bekannt: süss, sauer, salzig und bitter.
Eine fünfte Geschmackswahrnehmung wurde 1909 in Japan entdeckt: umami, das mit fleischig, würzig und wohlschmeckend umschrieben werden kann oder vereinfacht als «Geschmack von Glutamat».
Glutamate – Ester und Salze der Glutaminsäure (E 620) – sind in höherer Konzentration in getrockneten Tomaten, Fleisch, getrockneten Shiitake, Sojasauce, Parmesan, aber auch in Maggi-Würze enthalten.
2005 wurde noch eine sechste Geschmacksrichtung entdeckt: fettig bzw. oleogustus, die hingegen nur von Menschen wahrgenommen werden kann, die viele Geschmacksknospen besitzen.
Während die traditionelle chinesische Medizin fünf Geschmacksrichtungen kennt (süss, sauer, salzig, bitter und scharf), unterscheiden die tibetische Medizin wie auch die traditionelle indische Heilkunst Ayurveda noch eine sechste: herb.




Aktuelles aus Ihrer Apotheke

von astrea Apothekenmagazin 30. September 2025
Bei jedem fünften Paar klappt es mit der Erfüllung des Kinderwunschs nicht auf natürliche Weise
von astrea Apothekenmagazin 30. September 2025
Tipps für Stillzeit & Babynahrung
von astrea Apothekenmagazin 30. September 2025
Arteriosklerose - eine unterschätzte Gefahr
von astrea Apothekenmagazin 30. September 2025
Einst als Mittel gegen die Fleischeslust eingesetzt, hat der Mönchspfeffer heute einen festen Platz in der Behandlung von Frauenleiden. In der griechischen und römischen Antike wurden dem Mönchspfeffer lustmindernde Wirkungen zugeschrieben. Dies spiegelt sich in seinem wissenschaftlichen Namen Vitex agnus-castus L. (lat. agnus = Lamm, castus = keusch). Auch weitere seiner deutschen Namen weisen auf das Anaphrodisiakum hin: Keuschbaum und Keuschlamm. Hieronymus Bock hielt 1556 in seinem New Kreütter Buch fest: «Darumb dass diser Baum mit seinen schmalen Weidenbletter, … darzu die schwartze runde Körnlin, dem Pfeffer gleich, löschen vnd dilgen auß des fleisches brunst vnd begirde.» Im Altertum wurde die Pflanze als Heilmittel für vielerlei Erkrankungen verwendet. Später wurde der Mönchspfeffer volkstümlich zur Linderung leichter Beschwerden in den Tagen vor der Menstruation (prämenstruelles Syndrom, PMS) sowie zur Förderdung des Milchflusses eingesetzt. Eine Arzneipflanze für Frauen Heimisch ist der Mönchspfeffer im gesamten Mittelmeergebiet bis Westasien. Der immergrüne Baum mit seinen dichten ährenartigen Blütenständen kann gut sechs Meter hoch werden. Seine reifen Steinbeeren riechen aromatisch, salbeiartig und schmecken scharf und pfefferartig. Der Studienkreis «Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde» der Universität Würzburg hat den Mönchspfeffer zur Arzneipflanze des Jahres 2022 gekürt. Die Wirkstoffe des Mönchspfeffers regulieren und stabilisieren den weiblichen Hormonhaushalt. Insbesondere hemmen sie die Bildung von Prolaktin. Dieses Hormon wird vor allem in der Schwangerschaft ausgeschüttet, wo es für das Wachstum der Brustdrüse verantwortlich ist, sowie in der Stillzeit, während der es die Milchbildung anregt. Medizinisch stehen heute folgende Anwendungsgebiete im Vordergrund: – prämenstruelle Beschwerden einschliesslich Spannungsgefühl und Schmerzen in den Brüsten, – Menstruationsstörungen, – zu häufige, zu wenige oder ausbleibende Regelblutungen. Moderne Fertigarzneimittel enthalten Extrakte aus den Früchten des Mönchspfeffers. Die Arzneimittel sollten täglich über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten eingenommen werden.  Übrigens: Moderne Studien konnten die lusthemmende Wirkung von Mönchspfeffer nicht bestätigen. Im Gegenteil: In kleinen Mengen eingenommen, soll er gar die Lust steigern.
von astrea Apothekenmagazin 30. September 2025
Gefahr im Verzug
von astrea Apothekenmagazin 30. September 2025
Haut braucht Feuchtigkeit und UV-Schutz
Mehr anzeigen